Die Welt der Mannheimer Klaus
Leseprobe
Fromme Stiftungen
Die Klausen in Mannheim
Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts bezeichnet man im Judentum eine Gemeinschaft als Klaus, die sich dem religiösen Studium, dem Gebet und der Lehre von Tora und Talmud widmete. Es waren meist private Stiftungen oder von den Gemeinden unterhaltene Lehrhäuser, in denen die Rabbiner studierten, lehrten und mit ihren Familien lebten. Der Stifter einer Klaus, etwa ein vermögender Händler oder Hofjude, stellte oft sein Privathaus zur Verfügung. Berühmte Klausen bestanden in Prag (gegründet 1581), Wien (nach 1656), Hamburg-Altona (1690), Halberstadt (1703) und Mannheim (1708).1 Der Name Klaus ist vom lateinischen Wort clusa (umschlossener Raum) abgeleitet, ähnlich wie die Klause oder das Kloster. Mit diesen christlichen Einrichtungen hatten jüdische Klausen nur den Wortstamm gemeinsam.
In der kurfürstlichen Residenz des 18. Jahrhunderts trugen etwa 30 jüdische Gemeindemitglieder den Titel Hofjude2. Von ihnen traten drei Hoffaktoren3 als Stifter von Klausen auf: Lemle Moses Reinganum, Michael May und Elias Hayum. Von diesen Lehrhäusern war die Lemle-Moses-Klaus das größte und bedeutendste.
Der Oberhof- und Milizfaktor sowie Gemeindevorsteher Michael May (ca. 1680-1737) erhielt 1717 ein Privileg zur Errichtung einer Klaus mit sechs bis zehn Rabbinern in Mannheim. Die „Lehr- und Schulexercitien, wie solche in Frankfurt und dergleichen Orten gebräuchlich,“ sollten „frei und ungehindert“ gehalten werden, und die Familien der Rabbiner nicht zu den 200 zugelassenen Judenfamilien zählen.4 1761 wirkten in der Michael May‘schen Klaus zwölf Rabbiner. Die Einrichtung hatte bis 1765 Bestand. Sie befand sich in einem der Privathäuser von Michael May in F 3, 7 oder F 3, 13. Die Adressen bezeichnen zwei zusammenhängende Grundstücke, die das Quadrat durchzogen.
Etwa um 1742 kam Elias Hayum (um1700-1766) nach Mannheim. Er hatte als Hoffaktor am württembergischen Hof eng mit Josef Süß Oppenheimer, bekannt als „Jud Süß“, zusammengearbeitet. Nach dessen Hinrichtung 1738 musste Elias Hayum Stuttgart verlassen. Die von ihm 1758 in Mannheim gegründete Klaus hieß nach Hayums Herkunft „Stuttgarter Schul“. Im Jahr 1761 wirkten in ihr zwölf Rabbiner.
Testamentarisch verfügte Elias Hayum die Weiterführung seiner Klaus, die im Jahr seines Todes dennoch aufgelöst wurde. In umgewandelter Form bestand sie bis 1880 fort und wurde, nach dem Namen seines Sohnes, auch „Maierschul“ genannt. Sie befand sich bis 1845 im Wohnhaus der Stifterfamilie in G 2, 19/20 und später, nach dem Verkauf des Hauses Nr. 20, nur noch in G 2, 19. Das Anwesen wurde 1880 versteigert, der Gottesdienst in die Hauptsynagoge verlegt und die Silbergeräte zugunsten des Stiftungsfonds verkauft.
Wenn im 20. Jahrhundert die Rede von der „Klaus“ war, meinte man die Lemle-Moses-Klausstiftung in F 1, 11.
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