MIMENMORD

Leseprobe

Essstörung

Marly
Welserstraße 25
Ludwigshafen am Rhein
Sonntag, 25. 3. 2012


Ein kluger Mann hatte einmal gesagt, es gebe Orte, die man beschreiben könne; andere müsse man schlicht erleben. Zu letzteren gehörte zweifelsfrei das Restaurant Marly im ansonsten eleganter Gaumenfreuden eher unverdächtigen ältesten Ludwigshafener Stadtteil Hemshof.
Während sich anderswo ein arglistig präparierter Glasfaser­speer final in die Seite eines Star-Opernsängers bohrte, verzehrte Leo Lessing geradezu andächtig einen lauwarmen Oktopussalat und ließ sich dazu ein Glas perfekt temperierten Rieslings vom Weingut Reichsrat von Buhl munden, der auf den schönen Namen Jesuitengarten im Forst hörte. Sein Gegen­über, die Psychologin Geza Wolf, die im Gegensatz zu ihrem Begleiter nicht „über die volle Distanz ging“, wie Lessing das auszudrücken pflegte, also auf zwei Gänge des großen Menüs aus der übersichtlichen, aber erlesenen Karte verzichtet hatte, sah amüsiert zu, wie er mit zart schmatzenden Geräuschen und den entsprechenden Lippenbewegungen verzückt die ganze Fülle der Geschmacksnuancen des intensiv fruchtigen, aber dennoch mit eleganten Säuren aufwartenden Pfälzer Weines zu erhaschen suchte. Die Wölfin, wie ihre Freunde sie nannten, wusste, dass Leo sie in solchen Augenblicken nicht brauchte. Hier, schlemmend, genießend und ja, völlernd war er ganz bei sich, da wollte er nicht reden, da wollte er stille kulinarische Andacht. Aber da ihre über anderthalb Jahrzehnte bestehende Freundschaft zu jenen seltenen Fällen guter, platonischer Erwachsenenlieben gehörte, die es aushielten, wenn auch mal eine Viertelstunde gemeinsam geschwiegen wurde, nippte sie an ihrem San Pellegrino und frönte ihrer eigenen größten Leidenschaft: dem Beobachten von Menschen.
Obgleich sie Leo Lessing schon seit sechzehn Jahren kannte – sie hatte als frischgebackene Polizeipsychologin die Ermittlungen in einem Mordfall an dem Mannheimer Gymnasium begleitet, an dem er damals als junger Lehrer für Deutsch und Geschichte und Oberstufenberater tätig gewesen war –, hatte sie seine vielschichtige, facettenreiche Persönlichkeit immer noch nicht restlos durchschaut. Der alte Freund gab ihr immer noch Rätsel auf, und das war gut so.
Lessing stammte weder von dem gleichnamigen Dichter und Aufklärer noch von dem deutsch-jüdischen Philosophen und politischen Publizisten ab, auch wenn er sich beiden durchaus in manchen Belangen seelenverwandt fühlte. Auf den ersten Blick hätte man Leo, wie es viele seiner Schüler taten, als den literaturbesessenen, gemütlichen Dicken aus der Oststadt abtun können. Aber das, soweit war die Wölfin in ihrer ganz privaten Analyse gediehen, griff viel zu kurz. Er war zweifellos bibliophil, wie man an seiner von Büchern geradezu überquellenden Singlewohnung in der Leibniz­straße unschwer ablesen konnte, und auch seine Leibesfülle war unbestreitbar. Er selbst bezeichnete sich schwarzhumorig als „untergroß“, aber man sah dem Mann, der bei einer Größe von knapp unter einem Meter achtzig die Hundert-Kilo-Marke schon vor Jahren locker gerissen hatte, ohne irgendetwas an seinen Essgewohnheiten zu ändern, mittlerweile leider an, dass sein Übergewicht begann, seiner Gesundheit abträglich zu sein. Geza wusste, dass Leo Medikamente gegen Bluthochdruck nahm. Sie war keine klinische Medizinerin, aber aus ihrer Sicht war es nur noch eine Frage der Zeit, bis Diabetes hinzukam.
Wenn sie ihm so beim Essen, nein, beim Erleben seines Oktopussalates zusah, verstand sie, dass sich seine Lust am Leben, am Genuss teilweise in maßlosem Essen und Trinken ausdrückte. Es war seine Form der Lebensgier.
Das passte zu der Lust am Leben, die er auch in anderen Bereichen des Alltags an den Tag legte. Geza kannte kaum einen beleseneren, kunstsinnigeren, zugleich aber auch politischeren und dem Jetzt zugewandteren Menschen als Leo Lessing. Er war ein Mann der Gegensätze. Ein Kapitalismuskritiker vor dem Herrn. Ein Nonkonformist, ein „Feind der Herden“, wie er es nannte. Trotz des verbeamteten Lehrerjobs trug er das noch immer volle, braun-silbern melierte Haar über schulterlang und zumeist als Pferdeschwanz. Er war ein stets makellos gekleideter Mann mit kurz gestutztem Kinnbart, der dreiteilige Anzüge liebte, die er sich maßschneidern lassen musste, weil er sie von der Stange nicht kaufen konnte. An diesem Abend trug er einen mittelbraunen Anzug mit dezenten cremefarbenen Nadelstreifen. Gleichzeitig war Lessing ein streitbarer Opernnarr (wenngleich Wagnerhasser) und eingefleischter Krimifan. Er betätigte sich als Hobbykoch auf Gourmetniveau und sammelte Wein und Whisky. Am heimischen Piano coverte er mehr als passabel Tom Waits. Bei zahlreichen gemeinsamen Kinobesuchen hatte er sich als Cineast erwiesen. Zweifellos schrieb er selbst, vermutlich Lyrik, auch wenn er die Wölfin daran nie hatte teilhaben lassen.
Zudem war er ein hervorragender, einfühlsamer Liebhaber, wie die Wölfin aus einer betrunkenen Silvesternacht, die sich, wie sie einander geschworen hatten, niemals wiederholen würde, wusste.
Doch da war mehr, dessen war sich Geza Wolf sicher. Sie war der festen Überzeugung, dass es weit zurückliegende Verletzungen im Leben des Freundes gab. Er sprach nicht über sie, hatte sie in sich verkapselt. Dazu passte auch, dass der im Grunde seines Herzens sanftmütige, trotz seiner Leibesfülle behände Mann eine sehr laute Diktion hatte und keine Angst kannte, andere vor den Kopf zu stoßen. Er hatte sich einen Panzer angefressen. Geza witterte Dinge, die er nicht ertragen hatte und schon gar nicht noch einmal ertragen müssen wollte. Wie der nur ein paar Steinwürfe von hier geborene ehemalige Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl, dachte die Wölfin, auch wenn Leo diesen Vergleich sicher gehasst hätte.
Apropos Doktor … den hatte Lessing auch. Über Hölderlin hatte er promoviert, „das Hölderle“, wie er den Tübinger Romantiker gern liebevoll nannte, aber er führte seinen akademischen Titel nicht. Die Wölfin fand, ihr Freund verschwende sein Talent als Gymnasiallehrer an der Mannheimer Schule, die auch noch wie er den Namen des berühmten Schriftstellers trug, als Pädagoge im besten Sinne des Wortes. Wie Sisyphus versuchte er, in Generation um Generation X-Box-daddelnder, von YouTube und Wikipedia verdorbener Schüler die Liebe zur Literatur zu wecken. Scheinbar unverdrossen …
Die Lebensgefährtin des Restaurantbesitzers und Kochs riss Geza Wolf aus ihren Gedanken, indem sie mit der ihr eigenen unaufdringlichen Aufmerksamkeit Mineralwasser nachgoss. Dann trat der Meister selbst an ihren Tisch, ein kulinarischer Überzeugungstäter, der hier mitten im Hemshof seit Jahren konsequent auf Sterneniveau kochte, ohne sich nach dieser zweifelhaften Ehre allzu sehr zu verzehren.
„Hallo, Leo“, grüßte er den Stammgast der ersten Stunde, der inzwischen zum guten Bekannten avanciert war. „Die Schweinebäckchen kommen gleich, und für die Dame der Rochenflügel.“ Der Mann in der weißen Kochjacke warf Geza ein bezauberndes Lächeln zu. „Hat das Entrée gemundet?“
„Ja und wie“, lobte Leo. „Ich finde, wenn du jetzt noch deinen größten Fehler korrigierst, bist du nur noch einen Fingerbreit vom wahren Genius entfernt.“
„Und der wäre?“, fragte Gregor Ruppenthal irritiert.
„Du kochst in Lumpehafe, dabei gehört einer wie du nach Monnem“, grinste Lessing.
Ruppenthal lächelte. Ehe er Lessing aber darüber aufklären konnte, dass es durchaus sehr konkrete Umzugsüberlegungen auf die andere Rheinseite gab, ertönte Aaron Coplands Fanfare for the Common Man aus der Brusttasche von Lessings Jackett. Sie erklang in der Version von Emerson, Lake & Palmer, unterstützt durch heftige Vibration.
„Entschuldige bitte …“
Es war Lessing anzusehen, dass ihm diese Störung sehr unangenehm war. Er fischte sein HTC, mit dem ihn eine intensive Hassliebe verband, aus der Brusttasche und nahm das Gespräch mit einem energischen Druck seines fleischigen Daumens an, ohne aufs Display zu sehen.
„Lessing. Wer stört?“, knurrte er.
Dann hörte er eine Weile zu. Geza versuchte anhand der Hälfte der Konversation, die sie mithören konnte, das gesamte Gespräch zu rekonstruieren.
„Ach, du bist es, Anton … wo bist du? … Im National­theater? Oh. Ja, ich weiß, wir waren für die Walküre verabredet, aber mir ist …“, er warf einen verschwörerischen Blick auf den Weinkühler und auf Geza, „… etwas dazwischen gekommen. Tut mir leid.“
Er nahm einen Schluck Riesling, dann zählte er eins und eins zusammen und fragte: „Wieso telefonierst du mit mir, wenn du in der Oper hockst? Was? Das Stück wurde abgebrochen … na, was Besseres hätte wahrscheinlich nicht passieren können.“ Wieder lauschte er eine Weile in sein Handy. „Oh, das ist schlecht … och komm … muss das sein? Ich sitze gerade beim Essen … mit einer tollen Frau … na gut. Ja, ich komme rüber.“
Misslaunig unterbrach er das Gespräch und steckte das Handy weg.
„Geza, tut mir leid, ich muss weg. Das war Anton – drüben im Nationaltheater hat es einen Mord gegeben. Ich nehme nicht an, dass dir schon wieder der Sinn nach Ermittlungsarbeit steht?“
Die honigblonde Psychologin schüttelte den Kopf. Nach dem, was sie etwas weniger als zwei Jahre zuvor in Frankreich erlebt hatte, versuchte sie, einen weiten Bogen um tote Menschen zu machen.
Missmutig winkte Leo Lessing seinen Freund herbei. „Gregor, ich muss leider weg. Aber meine Begleiterin isst in Ruhe zu Ende. Schreib einfach alles auf, ich komme die Tage rum und zahle.“
Gregor Ruppenthal nickte. Lessing küsste Geza Wolf flüchtig auf die Wange und rauschte hinaus auf die Welser Straße. Vor der Tür schwang er sich in seinen BWM Z3, den einzigen sichtbaren Luxus, den er sich neben seinen Anzügen gönnte, und brauste über die Brücke gen Mannheim.
Nach Hause.


Judith von Reichenbach wusste nicht mehr, wo ihr der Kopf stand. Hunding, der jetzt wieder ganz bürgerlich Christian Walther hieß, hatte einen Nervenzusammenbruch erlitten, als ihm die ganze Tragweite dessen, was er getan hatte, klar geworden war. Er hockte jetzt am Bühnenrand und wurde vom Kollegen Erich Grambitter, dem Leiter der Spurensicherung, fürs Erste notfallseelsorgerisch betreut. Die Spurensicherer taten ihr Möglichstes, um, nun ja, Spuren zu sichern, aber zum einen wäre die Bezeichnung Hühnerhaufen noch ein Euphemismus für das gewesen, was auf der Bühne des Großen Hauses gegenwärtig los war, zum anderen war die Sachlage eigentlich klar. Jemand hatte den stattliche acht Meter langen, signalroten Glasfaserstab, der Hunding als Speer diente, auf üble Art und Weise präpariert. Das gepolsterte Schaumstoff­ende, das da ursprünglich hätte sein sollen und dazu diente, Verletzungen jeglicher Art bei dem Heldentenor zu vermeiden, war durch eine perfide Vorrichtung modifiziert worden: Sie erhielt nun im Inneren eine beidseitig scharf geschliffene Metallklinge, die sich beim Aufprall auf den Körper des Sängers durch den Schaumstoff geschnitten hatte. Der Schwung von Hundings/Walthers Stoß hatte den Schaumstoff am Stab entlang zurückgeschoben, und die dolchartige, mattschwarz schimmernde Klinge hatte ungehindert ihr zerstörerisches Werk tun können.
„Zerbrochene Schwerter aus Zuckerguss. Faszinierend.“ Mit diesen Worten schreckte eine äußerst wohlklingende Stimme die Kommissarin aus ihren Gedanken hoch. Sie sah sich suchend nach dem Sprecher um, denn die Akustik der Opernbühne sorgte dafür, dass er durchaus ein ganzes Stück weg stehen, sie ihn aber dennoch glasklar verstehen konnte. Ihr Blick wanderte über Brünnhilde alias Julia Haffner, die schlaff wie eine Puppe aus Lumpen am Hals des Generalmusik­direktors hing und haltlos weinte, Grambitter, der immer noch in der Hocke neben Christian Walther kauerte, und Regisseur Schlaffe, der zusammen mit dem inzwischen eingetroffenen kommissarischen Generalintendanten Will Fendrich heftig gestikulierend auf den Kollegen Neumann einredete, und blieb schließlich an einem rundlichen, gepflegt aussehenden Mann hängen. Der stand über der Stelle, wo die schwärzlichen Zuckergusssplitter Nothungs noch neben der Tatwaffe auf den Bühnenbrettern lagen und starrte nachdenklich zu Boden, den schweren, runden Kopf mit dem Kinnbart und dem gepflegten, graumelierten Pferdeschwanz in den aromatisierten Dampf einer schwarzen Elektrozigarette gehüllt.
Ehe Kommissarin von Reichenbach die wohl eher an ihn selbst gerichteten Worte des Nadelstreifenträgers in irgendeiner Form kommentieren konnte, schoss aus den Kulissen eine Theatermitarbeiterin hervor, deren Äußeres eine gewagte, aber durchaus spannende Mischung aus modebewusstem Punk und Spät-Öko war. Sie wedelte heftiger, als der Dampf – Nelkenaroma, wie von Reichenbach geistesabwesend registrierte – es eigentlich rechtfertigte und fauchte: „Hier ist rauchen verboten. Wollen Sie die ganze Sauerei etwa auch noch mit der Sprinkleranlage gepflegt unter Wasser setzen?“
Der Mann musterte den weiblichen Mode-Punk mit der schwarzen Strubbelfrisur einen Moment lang und sagte dann würdevoll: „Ich rauche nicht. Ich entziehe meine Sucht mit einer Ersatzdroge. Das“, er schwenkte die Elektrozigarette, „ist quasi das Methadon zu meinem Heroin – Nikotin, meine ich.“
Judith von Reichenbach trat zu den beiden. „Dürfte ich fragen, wer Sie sind?“
„Steffi Hunger, Leiterin der Requisiten-, Pyrotechnik- und Waffenabteilung dieses Hauses“, sagte die Frau. Der rundliche Mann nickte, als habe er sich entweder genau das gedacht oder als enthülle diese Antwort ein großes Mysterium, an dessen Enträtselung er seit Jahren arbeitete. Er machte allerdings keine Anstalten, seinen eigenen Namen preiszugeben.
„Und Sie sind?“, hakte von Reichenbach nach.
„Leo Lessing, Deutschlehrer am gleichnamigen Gymnasium“, sagte der Mann irritiert. „Die Polizei hat mich hergebeten, um in diesem Fall zu assistieren.“
„Die Polizei bin ich“, knurrte Judith von Reichenbach, „und ich habe bestimmt niemanden hergebeten.“
„Das geht schon in Ordnung“, hörte sie plötzlich knapp hinter ihrer linken Schulter die Stimme des Kollegen Neumann, der dienstgradmäßig ihr Vorgesetzter, wenn auch rein technisch gesehen nicht mit dieser Ermittlung betraut war. „Herr Lessing ist ein alter Freund und auf meine Veranlassung hier. Niemand kennt sich mit Opern und mit diesem Theater so gut aus wie er.“
Die beiden so ungleichen Männer umarmten einander, und Kriminalhauptkommissar Anton Neumann klopfte dem Runden mit dem langen Haar etwas ungelenk, aber durchaus freundschaftlich auf die Schulter.
„Wer hat den Speer geführt, Anton?“, fragte der den Kriminalhauptkommissar.
„Christian Walther. Er spielt und singt den Hunding“, antwortete der.
„Mit dem würde ich gern als Erstes sprechen“, sagte Leo Lessing.

Und schon die erste Rezension:

VOR-GELESEN
Oliver Hoffmann: MIMENMORD

Manchmal könnte ich mich selbst ohrfeigen! Warum?
Weil ich eine »Buchfresserin« bin. Zumindest nannte mein Vater mich so, wenn ich dabei war, mit einem Tempo von ca. 100 Seiten pro Stunde einen Roman oder ein Fachbuch zu »verschlingen«. Glauben Sie nur nicht, dass ich querlesen würde – das fiele mir im Traum nicht ein. Nein, ich lese sehr konzentriert, tauche wirklich in das Geschriebene ein und vergesse die Welt um mich herum. Ich lasse mich auch nicht aus dem Takt bringen, wenn mich Satz- oder Satzzeichenfehler anspringen. (Obwohl sie sich wirklich alle bei mir melden, wie der Klassenstreber bei seiner Lieblingslehrerin.) Und ich kann tagelang noch wörtlich wiedergeben, was ich gelesen habe. Eigentlich toll, oder?

Ja, wenn … es nicht auch die Kehrseite der Medaille gäbe. Manchmal – heutzutage seltener als in meiner Adoleszenz – begegne ich einer Geschichte, die mir, um mal im Bild des Bücherfressens zu bleiben, tagelang im Magen liegt und mich doch nicht sättigt.

Oliver Hoffmanns MIMENMORD, der den unverdächtigen Untertitel »Ein Mannheim-Krimi« trägt, ist ein solcher Roman.

Muss ich den Autor vorstellen? Menschen, die sich für Phantastik begeistern, kennen seinen Namen als Mitbegründer des Verlages Feder & Schwert. Wer in und um Mannheim ansässig ist, und sich für Kleinkunst (dämliches Wort, aber, Entschuldigung, ich kenne auch kein schöneres) interessiert, kennen ihn als Autor des Boulevard-Theaterstücks »Alla Gut – Verliebt ins Quadrat«, das seit 2007 auf Mannheimer Kleinkunstbühnen alle Rekorde bricht, und von vielen anderen Kultur-Veranstaltungen auch als Musiker und Sänger. Leseratten und Krimi-Fans kennen ihn als Blogger (The Thruth: so far) und Schriftsteller. Seine Debüt-Romantrilogie »Hiobs Botschaft« – zusammen mit dem Kölner Autor Severin Rast – erschien 2001. »Der Facebook-Killer«, sein erster Kriminalroman, erschien 2012. Wer ohne die nüchternen Fakten seines Werdegangs nicht auszukommen glaubt, muss ihn eben »googlen« oder, sehr viel vernünftiger, den Klappentext seiner Romane lesen. Sorry, mir brennt gerade etwas anderes auf den Nägeln!

»Während einer Aufführung von Wagners Walküre im neuen Mannheimer Ring wird der Sänger des Siegmunds auf offener Bühne ermordet. Das ist jedoch erst der Anfang einer unheimlichen Mordserie, die die Quadratestadt erschüttert.

Scheinbar wahllos schlägt der Mörder zu, und erst nach und nach fügen sich die Fakten zum Mosaik, das eine unselige braune Vergangenheit zitiert, die so mancher gerne ausblenden würde.

Einer jedoch bleibt auf der Spur und sucht nach der Wahrheit hinter der glänzenden Fassade: Leo Lessing, Deutschlehrer am gleichnamigen Mannheimer Gymnasium und Gourmet aus Leidenschaft.

Seine Nachforschungen ergeben, dass sein geliebter Bertolt Brecht recht hatte:
›Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.‹«

Zum Handlungsverlauf werde ich nicht mehr sagen, als dieser kurze Abriss ohnehin preisgibt. Muss ich auch nicht, denn es gibt keine logischen Brüche, vor denen zu warnen wäre.

Aber es gibt in der potentiellen Leserschaft sicherlich Erwartungen, welche den
einen oder anderen Warnhinweis notwendig machen.

  • MIMENMORD ist keine Fortsetzung des Romans »Der Facebook-Killer«, obwohl man Geza Wolf wiederbegegnet;
  • kein Krimi nach klassischem Strickmuster, da er weder dem Konzept des »Whodunit«, noch dem des »police procedural« folgt;
  • ganz sicher kein »Regionalkrimi«, obwohl die Handlung komplett in Mannheim angesiedelt ist.

Mir ist klar, dass es heutzutage als unabdingbar gilt, jeder Veröffentlichung ein Etikett aufzukleben, an dem sich das Publikum orientieren kann. Ordnung muss sein, es muss eine Schublade her – was aber, wenn diese viel zu klein ist?

MIMENMORD hat es nicht verdient, gewaltsam in eine solche Schublade gepresst zu werden. Vor allem aber haben es die potentiellen Leser nicht verdient, dass man eine Schranke vor ihnen aufbaut und sie damit abhält, sich an einem wahrhaft erstklassigen Stück aktueller deutscher Belletristik zu erfreuen. In diesem stilistisch tadellos geschriebenen, überaus fesselnden und
hochpolitischen Roman begegnen Leser Figuren, die sie – aus den unterschiedlichsten Gründen – nicht so leicht vergessen werden. Und das ist gut so!

Denn diese Figuren (ich mag sie nicht Charaktere nennen) sind keine Fiktionen, sondern Spiegelungen eines Typus, dem man leider noch immer und idiotischerweise sogar immer häufiger begegnet, und den man unbedingt kritisch im Blick behalten sollte – auch und vor allem dann, wenn die Vertreter der Staatsgewalt dazu nicht Willens oder nicht der Lage ist.

Sie treffen aber auch auf einen Charakter – und hier lässt sich das Wort durch kein anderes ersetzen – den sie sich umgehend zum Freund wünschen werden:
Leo Lessing. Blitzgescheit, gebildet, kultiviert, sinnlich und der art de vivre zugetan, ist er die ideale Identifikationsfigur für … nun ja, jeden, der nicht der Fraktion der Lindenblütentee schlürfenden Körnerfresser angehört.

Gönnen Sie sich unbedingt das Vergnügen, Leo bei seinen Abenteuern durch die Quadratestadt zu begleiten – das werden Sie, nehmen Sie mich ruhig beim Wort, nie bereuen!

Maran Alsdorf (08/2013)


Ach so, ich schulde Ihnen ja noch eine Erklärung für den ersten Satz. Ich hätte mich ohrfeigen können, weil es mir einfach nicht gelungen ist, den Genuss dieses Romans wenigstens etwas in die Länge zu ziehen. Wenn es an MIMENMORD eines zu bemängeln gibt, dann, dass der Roman leider viel zu kurz und auch nicht der offizielle Beginn einer Reihe ist. Aber … was nicht ist, kann ja noch werden. Hoffentlich.


Oliver Hoffmann: MIMENMORD – Ein Mannheim-Krimi
Mannheim, Verlag Waldkirch, 20. September 2013
ISBN 978-3-86476-039-6 (Taschenbuch)
Softcover, 11,7 x 18,7 cm, 180 Seiten
multimedial (Links [qr-codes] zu im Text erwähnten Musikstücken)
10,95 € [D]
Ab Oktober 2013 auch:
ISBN 978-3-86476-618-3 (E-Book EPUB)
ISBN 978-3-86476-619-0 (E-Book PDF)
8,99 € [D]

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