Die Gewaltfalle

Leseprobe

Polizeiführer Dieter Schäfer zu den
ersten beiden Gewaltwellen:

„Der aufgebrachte Mob drohte uns zu überrollen wie ein Tsunami. Ich hatte der ersten Gewaltwelle nur eine Hundertschaft und eine Einheit BFE entgegenzusetzen. Ich befahl den Rückzug über Megaphon und entschloss mich, die Gewaltwelle auslaufen zu lassen.“

„In dieser Stunde ist nicht der Rechtsstaat gewichen.

Wir haben lediglich die zur multikulturellen Gastfreundschaft gereichte Hand, die gebissen wurde, aus Vernunftsgründen zurückgezogen.

Ich versichere Ihnen, dass ich alle mir zur Verfügung stehenden legitimen Mittel einsetzen werde, um dieses nicht zu tolerierende Mit-Füßen-Treten der Rechtsordnung des Gastlandes durch die (Anm.: gewalttätigen) Kurden in einen Sieg der demokratischen Rechtsordnung unseres Landes umzumünzen.“

„Durch die defensive Einsatzführung blieb der Stadt Mannheim, in der 20.000 Türken und rund 5.000 Kurden friedlich zusammen leben, Schlimmeres erspart.“

 

Seiten 33 und 35

Am nächsten geeigneten Rastplatz, einem Teilstück des Stadtwaldes, nördlich des Mannheimer Stadtteils Pfingstberg, am Rande der Wachenburgstraße, mündet eine Ortsstraße, auf der Anwohnerverkehr herrscht. Gegen 16.30 Uhr näherte sich in langsamer Fahrt ein 3er BMW mit offenem Seitenfenster und vernehmbarer türkischer Folkloremusik, Fahrer ein junger Türke.

Dies wurde von den Marschteilnehmern offensichtlich als Provokation aufgefasst. Schlagartig wurde die Versammlung unfriedlich und gewalttätig. Eine Personenmehrheit der 100 Marschierer stürzte sich hysterisch auf den angreifenden türkischen Faschisten (Sichtweise der YEK-KOM in ihrer Pressemitteilung vom 10.09.2012)).

Als besonders gewalttätig tat sich ein korpulenter Kurde hervor, der wie wild auf den BMW einschlug. Er wurde zunächst überwältigt und mit einem Kabelbinder gefesselt. Als dann jedoch ein zweites mit Türken besetztes Fahrzeug in langsamer Vorbeifahrt provozierte, verschärfte sich der Tumult.

Die Menge setzte dem Fahrzeug hinterher.

Der Festgenommene (Bild oben) zerriss die Plastikfessel und stürmte wie ein Sprinter dem sich entfernenden BMW hinterher.

Der verfolgende Beamte, der zuvor die Festnahme durchgeführt hatte, lief bei der Verfolgung unmittelbar in den Abwehrstrahl aus der Pfefferspraykartusche seines Kollegen. Der Entkommene holte den BMW tatsächlich ein und schlug und trat wie von Sinnen auf das Fahrzeug ein. Noch unter Pfefferspraywirkung rang der Beamte den Gewalttäter unter enormer Kraftanstrengung nieder und nahm ihn erneut fest. Folge war bei dem Beamten eine totale physische Erschöpfung und er musste zur Beobachtung mit Verdacht auf einen leichten Herzinfarkt in die Klinik eingeliefert werden.

 

Seiten 74, 75

Nach all meinen Erfahrungen kam ich zu dem Schluss:

Würde in der jetzigen Situation zusätzliche Aktion durch offensiv vorrückende Polizeikräfte hinzutreten, wären alle Voraussetzungen für eine Massenpanik gegeben.

Auf dem Gelände befanden sich bis zu 40.000 Besucher des Kulturfestivals. Die Zusammensetzung war bunt und bildete Familien und Einzelpersonen in drei Generationen ab. Die Polizeikräfte waren von wenigen Hundert Gewalttätern angegriffen worden. Wir mussten von mehreren Hundert Gewaltgeneigten ausgehen. Im Rückraum scharten sich bis zu zweitausend Unterstützer oder einfach nur Schaulustige. Es gab eine eindeutige Vermischung der Gruppen. Für ein polizeiliches Vorgehen zeigten sich keine scharfen Trennlinien.

Bei der Sichtung der Filmaufnahmen und der Berichterstattung im Internet fiel mir ein etwa Gedränge auf und hatte offensichtlich Spaß am Geschehen. Online fand ich im RHEINNECKARBLOG unter der Teilüberschrift „Wer ist verantwortlich?, just für den Zeitpunkt der Entscheidung ein Bild, auf dem der Junge in der Menge unmittelbar hinter dem Haupttor abgebildet ist. Ich möchte nicht zu Ende denken, wenn dieser Junge durch ein offensives Vorgehen der Polizei bei einer Panik zu Schaden gekommen wäre.

 Wir alle kennen von der Berichterstattung aus dem Nahen Osten und der arabischen Welt Bilder von wehklagenden Müttern oder Vätern, die ihr verletztes Kind in die laufenden Filmkameras halten.

 

Seiten 127, 128

Dennoch dauerte es bis Anfang der Folgewoche, bis die ersten Beiträge verfasst wurden. Es waren die älteren, erfahrenen Beamten, die sich das Erlebte von der Seele schrieben. Zum Themenbereich „Angst“ verfassten mehrere Kollegen Textbeiträge, die aufgrund ihrer Offenheit halfen, die Beklemmungen und psychischen Belastungen in der bedrohlichen Phase der Gewaltfalle zu Beginn der ersten Gewaltwelle darzustellen und zu beschreiben. Wenn sich auch die jüngeren Beamten und Beamtinnen nicht durch eigene Textbeiträge beteiligten, so zeigten doch die über 800 Klicks, dass alle die Schilderungen lasen und so die Möglichkeit hatten, ihre eigenen Empfindungen zu reflektieren.

Die Beiträge kamen erwartungsgemäß aus der Einsatzhundertschaft Karlsruhe, die auch die meisten Verletzten zu verzeichnen hatten.

Überraschend für mich waren die Wahrnehmungen der Kollegen, die aufgrund der Gewaltausbrüche zur Unterstützung anfuhren.

Ein Kollege der PD Heidelberg, der als Einsatzbeamter der beiden Alarmzüge beim Fußballeinsatz anlässlich des Regionalligaspiels der TSG Hoffenheim II gegen SV Waldhof Mannheim eingesetzt war, schildert, dass man unter den überwiegend lebensälteren Kollegen noch am Vormittag scherzte, dass man heute wohl noch nach Mannheim zum Kurdeneinsatz beordert werden würde.

Als dann der Hilferuf kam, sprach man von bürgerkriegsähnlichen Zuständen in Mannheim. Es habe 80 zum Teil schwerverletzte Beamte gegeben. Mit diesen dünnen Informationen fuhren die beiden Alarmzüge mit Sondersignal von Sinsheim nach Mannheim. Auf der Anfahrt reflektierte der Kollege, dass keiner der Beamten Schutzausrüstung trug. Es war dennoch für ihn keine Frage, dass er Kollegen in Not zur Hilfe eilen werde. Gleichermaßen gibt er zu, dass ihm erstmals in einer Einsatzsituation der Gedanke durch den Kopf schoss, dass er zu Hause unmündige Kinder hat und sich möglicherweise in schwer kalkulierbare Gefahr begeben muss. Am Kräftesammelort an der SAP Arena war er dann sehr erleichtert, als pfälzer und Einheiten der Bundespolizei mit Schutzausstattung, die gleichzeitig eintrafen, statt ihrer vorrückten. Er berichtet auch von einer wohltuend „familiären“ Atmosphäre in dieser Gefahren- und Notgemeinschaft.

Die eintreffenden Einheiten aus Hessen, Rheinland-Pfalz, der Bundespolizei und aus Baden-Württemberg kannten sich nicht und trotzdem war sofort große Vertrautheit und Zusammengehörigkeit zu spüren.

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