Das Ungesehene Sehen

Leseprobe

Ultraschall gesucht - Computertomographie gefunden

Zunächst einmal hatten wir in der neuen Praxis in Mannheim viel zu viel Platz. Als sich allmählich die Ultraschalldiagnostik entwickelte, ging ich zum Erlernen der Methode nach Heidelberg in die Frauenklinik, die ein Vidoson-Gerät von Siemens bei der Schwangerenüberwachung benutzte. Der Ordinarius, Prof. Kubli, hatte einen Oberarzt mit dem schönen Schweizer Vornamen Urs (der Bär), der diese Methode gut beherrschte. Nachdem er mir die Untersuchungstechnik erläutert hatte, machte er mir rasch klar, dass ich als Radiologe die Finger davon lassen sollte, da mir die geburtshilfliche Fachausbildung fehlte. Im Krebsforschungszentrum gäbe es einen Oberarzt namens Gerhard van Kaick, der sich gerade habilitierte und sicher in unserem Raum am meisten vom nichtgeburtshilflichen abdominellen Ultraschall verstünde.

Ich traf einen äußerst liebenswürdigen und hervorragenden Internisten, der sich gerade ganz der Radiologie zuwandte, den abdominellen Ultraschall beherrschte und auch Verständnis dafür aufbrachte, dass wir mit Ultraschall das Spektrum unserer Praxis für Radiologie und Nuklearmedizin erweitern wollten. Ich fuhr also an den Tagen, an denen ich es ermöglichen konnte, in das Krebsforschungszentrum in Heidelberg zum Kollegen van Kaick, der mir die Technik der abdominellen Ultraschalluntersuchungen beibrachte. Kurz drauf richtete er dann auch Kurse ein, in denen jeder Arzt diese neue Sonographietechnik erlernen konnte. Zuerst belegte ich, dann Gerd diesen Kurs. Man musste anschließend eine theoretische und praktische Prüfung bestehen und erhielt ein Zertifikat, mit dem man die Kassenzulassung zur Abrechnung sonographischer Leistungen bei der „Kassenärztlichen Vereinigung“ beantragen konnte. Sie wurde uns umgehend erteilt. Wir kauften ein gutes Ultraschallgerät mit zunächst zwei Schallköpfen mit unterschiedlicher Eindringtiefe und Auflösung für die tiefer gelegenen abdominellen Organe und für die Untersuchung oberfläch-licher Prozesse, wie zum Beispiel in der Schilddrüse oder in der weiblichen Brust. Da wir hier wie in der Nuklearmedizin in Mannheim wieder die ersten Anbieter dieser Technik waren, steigerten sich auch auf diesem Gebiet rasch die entsprechenden Überweisungen. Wir selbst empfahlen bei unklaren Schilddrüsenknoten oder suspekten Mammaknoten die ergänzen-de Ultraschallabklärung, da man mit dieser Methode flüssige Zysten von soliden Knoten abgrenzen konnte. Ja, man konnte sogar oft auch Hinweise auf Malignität erhalten. Wir dokumentierten sofort auf Röntgenfilmen unsere Untersuchungsergebnisse und verwarfen nach anfänglichem Papierausdruck diese schlechtere Bildqualität.

Da ich jetzt ab und an im Heidelberger Krebsforschungszentrum auftauchte, um mit van Kaick schwierige Diagnosen zu besprechen, zeigte mir dieser eines Tages das Heft 46 des British Journal of Radiology von 1973, in dem ein gewisser Godfrey N. Hounsfield eine Arbeit mit dem Titel: „Computerised transverse axial scanning (tomography) I. Description of system“ und ein gewisser J. Ambrose in direkter Seitenfolge eine Arbeit mit dem Titel: „Computerised transverse axial scanning (tomography). II. Clinical application“ veröffentlicht hatten.

Ich war sofort wie elektrisiert. Hier bahnte sich eine Revolution der Radiologie an. Van Kaick schien skeptisch. Er meinte, ob sich diese Technik durchsetzen würde, müsse man abwarten. Dem Ultraschall gab er größere Zukunftschancen. Da er besseren Zugang zu der gesamten wissenschaftlichen Literatur hatte, bat ich ihn, mich auf dem Laufenden zu halten.

Dr. van Kaick versorgte mich rührend mit der die Computertomographie betreffenden Literatur. Die Computertomographie ist ein Röntgen-Transversalschichtverfahren, das die Schwächungskoeffizienten eines Körperquerschnitts und ihre räumliche Verteilung als Rasterbild in einer Bildmatrix darstellt. Die Wiedergabe der Bilder erfolgt mit Hilfe der Fernsehtechnik in Form von Graustufenbildern. ....


Ganzkörper-Computertomographen

.... Gerd und ich waren uns jetzt endgültig einig, dass wir so schnell wie möglich einen Ganzkörper-Computertomographen kaufen sollten.
In der darauffolgenden Woche fuhr ich zu den Verkaufsverhandlungen nochmals nach Erlangen, um mit einem Herrn Thorn die Bedingungen zu besprechen. In einer schlaflosen Nacht war mir bei meinen endlosen Wanderungen um meinen Schreibtisch klar geworden, dass wir im Falle des Scheiterns unseres Großprojektes sofort pleite wären, denn der Wert des Computertomographen lag deutlich über dem Wert der übrigen Praxis. Aber warum sollten wir das Risiko eigentlich allein tragen? Da Siemens das Geschäft machen würde, sollten sie sich am Risiko beteiligen. Wie das gehen sollte, hatte ich mir auch schon ausgedacht und mit Gerd besprochen. ....

.... Jetzt ging alles sehr schnell. Im Januar 1977 kam der Ganzkörper-Computertomograph. Ende Februar untersuchten wir den ersten Probanden, nämlich wieder einen von uns. Dann kamen die ersten Patienten, bei denen wir die Untersuchungen des Schädels und Gehirns abrechnen konnten. Die Untersuchungen des übrigen Körpers mussten wir zunächst ohne Bezahlung durchführen, da es keine entsprechende Abrechnungsziffer gab.

In der freien Röntgenpraxis gehörten wir zu den ersten Radiologen, die sich einen Ganzkörper-Computertomographen angeschafft hatten. ....

.... Wie schwierig es werden würde, diese neue revolutionäre Methode durchzusetzen, bemerkte ich auf der Radiologischen Woche im April 1977 in München, wo Prof. Lissner, der Ordinarius für Radiologie und damalige Präsident der Deutschen Röntgengesellschaft, in seinen Abschlussworten die Bedeutung der Hirn-Computertomographie würdigte, den übrigen Körper-CT-Untersuchungen jedoch keinerlei Zukunft prognostizierte. ....


Die Entwicklung zur radiologischen Großpraxis. ....


Magnet-Resonanz-Tomographie

Seit Mitte der 70er Jahre geisterte dieses, zunächst Kernspintomographie (KST) oder auch Nuclear Magnetic Resonance (NMR) genannte Verfahren durch die radiologische Fachpresse und wurde etwa 1980 erstmals auch auf dem amerikanischen Röntgenkongress vorgestellt. ....

.... Dies alles ermutigte Dr. Hoffmann und mich, die unter uns gelegene hinzugemietete Etage für die Magnetresonanztomographie vorzubereiten. Da im zweiten Obergeschoss die Klimazentrale für das ganze Haus 200 qm in Anspruch nahm, hatten wir jetzt eine Gesamtfläche von 1200 qm zur Verfügung. Ein Statiker hatte uns bereits berechnet, dass wir 15 Tonnen Gewicht lediglich zwischen vier tragende Säulen an der fensterlosen Rückseite der Etage positionieren konnten. Mit der VGH verabredeten wir, dass wir den Umbau selbst bezahlen würden und die Kosten dann in zehn Jahren durch Mietnachlass zurückerstattet bekämen. Ein Architekt aus Stuttgart machte uns einen Kostenvoranschlag für den Eigenumbau. Einschließlich des Faradayschen Käfigs, der für die MR-Technik unerlässlich war, beliefen sich die Kosten auf rund eine Million DM. ....


Epilog

Mit dem Beginn meines Ruhestandes bin ich jetzt frei. Reich bin ich nicht geworden. Finanzielle Sorgen habe ich aber auch keine. Da ich seit dem Ausscheiden aus der Praxis keine Schulden mehr habe, fühle ich mich sogar ein bisschen wohlhabend. Ich habe die Praxis mit einem gepolsterten Praxiskonto übergeben, die Praxis hatte keine Mark Schulden. Der Mietvertrag war abgelaufen und wurde von meinen ehemaligen Partnern für zehn weitere Jahre mit Option auf anschließend nochmals zehn Jahre neu abgeschlossen. In jedem Abschnitt meiner Weiterbildung habe ich viel Freude an der Ausübung meines Berufes gehabt. Als Facharzt für Radiologie und Nuklearmedizin habe ich mich besser verwirklichen können, als wenn ich mich habilitiert hätte und Chefarzt geworden wäre. Es ist mir gelungen, in Fachkreisen als Pionier der Radiologie und Nuklearmedizin zu gelten. Einem jeden Ordinarius für Radiologie war zur Zeit meiner Praxistätigkeit mein Name ein Begriff. Ich hatte das Ungesehene gesehen, bevor viele Fachkollegen den Fortschritt der Radiologie erkannten.

Nur durch meine sieben Partner, die Dres. Adler, Müller, Hoffmann, Wunschik, Ricken, Wilhelm und Daniel war unser gemeinsamer Erfolg möglich. ....


Veranstaltungen

Sie sind herzlich zu unseren aktuellen Buchvorstellungen und Lesungen eingeladen.

Das eigene Buch

Bei uns erhalten Sie die Möglichkeit, Ihr eigenes Buch herauszubringen.
Wie? - Das erfahren Sie hier.

zur Buchhandlung Waldkirch in Feudenheim

Hier erhalten Sie alle Bücher des Verlags sowie das gesamte Buchhandelsprogramm

Zur Online-Buchhandlung

Über 450.000 Bücher online bei Waldkirch bestellen

Yoga-Zentrum Mannheim

Hatha-Yoga Kurse, Business-Yoga, Betriebl. Gesundheitsvorsorge